Cover der drei "100 Bullets"-Paperbacks

"100 Bullets" -- Faust Noire

Jan hat mich mit der Nase auf diese ausgezeichnete Comic-Serie gestubst. "100 Bullets" ist auf dem "Vertigo"-Imprint von DC erschienen. Die Serie ist nicht nur für US-Verhältnisse sehr frisch.
Die Serie besteht aus kleinen Geschichten die sich teilweise mini-serie-like über mehrere Hefte hinziehen. Diese Geschichten haben eines gemeinsam: Die Ausgangssituation. Mehr oder weniger kaputte Menschen bekommen plötzlich Besuch von einem "Agent" Graves, der ihnen einen Koffer mit einer Handfeuerwaffe sowie 100 nicht-registrierte Schuss Munition übergibt, sowie "Beweismaterial". Beweismaterial die zeigen dass ein anderer Mensch für das Schicksal des Besuchten verantwortlich. Der Bruder, der Freund, eine unbekannte Frau, der Vater.
Agent Graces
Agent Graves
"I can't give you your daughter back, but i can give you something else... opportunity. In this attaché, you'll find irrefutable evidence that what i'm telling you is true, a gun and one hundred rounds of untraceable ammunition. whatever you choose to do, you'll be acting above the law. no law enforcement agency can touch you..."
Mehr sagt Graves nicht. Eine Versuchung Faust'schen Ausmasses.
Diese Ausgangsposition wird anfangs bei verschiedenen Menschen durchexerziert. Wer sich für 10 - 15 US$ die als Bücher zusammenkompilierten Hefte kauft, findet eine Chicano wieder, die aus dem Gefängnis rauskommt, und feststellt dass sie nicht nur keine Familie mehr hat, sondern sich auch alles anders zugetragen hat, als sie glaubte. Und der Typ, der durch einen dummen Zufall durch eine junge Frau zum Pädophilen gebrandmarkt wurde, und Job und Frau verloren hat.
Autor Brian Azzarello nutzt die identische Ausgangsposition aus um zu verschiedenen Lösungen zu kommen.
Nach ungefähr 7-8 Heften zeichnet sich dann plötzlich ein Überbau dieser Geschichten ab, ein roter Faden der aus wesentlich mehr als nur dieses Kontrukt der Anfangssituation besteht...
Zeichner ist der Argentinier Eduardo Risso. Als ich den Namen gehört habe, und die Zeichnungen gesehen habe, hat es in meinem Kopf geklingelt, und ich habe ihn sofort mit "Cybersix", einer etwas aus der Art geschlagenen Superheldin, in Verbindung gebracht. Zuhause stellte ich dann fest, dass die Fährte nicht ganz falsch war. Cybersix wurde von von einem Landsmann namens Carlos Meglia gezeichnet, getextet von Carlos Trillo. Bingo, denn der hat mit Risso "Fulù" gezeichnet. Risso und Meglia haben einen sehr eigenen Stil, der lebendig wirkt, sehr sicher in Mimik und Gestik ist, und auch feine Seitenlayouts besitzt.
Meisterwerk: 10 von 10 Schuss Munition.

100 Bullets IV -- "A Foregone Tomorrow"

Vierter Tradepaperback von "100 Bullets", die Hefte #20 bis #30 der Serie umfassend.
In diesem Zyklus werden die vorigen Themen bunt durcheinandergemischt. Es wird die umspannende Intrige ausgebaut, neue Figuren werden eingeführt, teilweise wohl "Minutemen"-Schläfer die nun wieder reaktiviert werden, andere Figuren werden weitergesponnen. Bezeichnenderweise ging ein ganzes Heft dafür drauf um nochmals das zusammenzufassen, was über den Hintergrund rund um den "Trust" und den "Minutemen" bekannt ist. Netterweise eingesprengselt mit Gastauftritten einiger "Fremdzeichner" wie Frank Miller, Jim Lee oder Dave Gibbons.
Ich hatte beim Lesen permanent das Gefühl Azzarello und Risso nicht ganz von der Leine gelassen wurden, weil zuviel Inhalt transportiert werden musste, um das bisherige Geschehen mit Hintergrund zu unterfüttern.
Nichtsdestotrotz findet man immer wieder herausragende Sequenzen, präzise Beobachtungen von Optik und Sprache. Insbesondere wenn die kleinen Zyklen um eine Figur herumgestrickt sind, wie die drei Hefte um Wylie Times oder die beiden Hefte mit Jack Daw, ist "100 Bullets" ganz, ganz groß. Dann ist "100 Bullets" immer noch 10 von 10 Schuss.
 
 
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