dogfood Februar 2004 [4]

Samstag, 21. Februar 2004

[13h59]Is regular drumming the way to beat the workplace blues?“ -- Göttliche Bebilderung. Oder: „warum die BBC mitunter den deutschen Medien Lichtjahre voraus ist“

The Animal
[11h55] Seit Tagen braucht man nur einige Schritte vor die Haustür zu setzen, es braucht noch nicht einmal die eigene Haustür zu sein, da vereist es einem alle an der Hautoberfläche befindliche Nerven. Der Blick fällt auf den klaren, hellblauen Himmel und die hellen neoklassizistischen Häuserfronten die gelblich von der in meinem Rücken befindlichen Wintersonne angestrahlt werden.
Um halb neun sind bereits nahezu alle pseudoholzfurnierten Resopal-Tische von „Dat Backhus“ besetzt. Es sind eher trübe Gestalten die eine kleine weiße Tasse und einen weißen Teller mit Kuchenstück vor sich haben. Ich will den Retro-Style von „Dat Backhus“ nicht madig machen, obwohl er mich psychologisch back in das Elternhaus der 70er Jahre versetzt und es Erinnerungen sind, die ich nicht haben möchte. Dazu hat die Bäckerei durch ihre allmonatlichen Preisaktionen (3 Berliner = 1,80; 3 Quark-Stücken nach Wahl = 2,25) zuviel Kredit bei mir.
Die „Neue Große Bergstrasse“ macht noch einen schlafmützigen Eindruck. Ob sich das im Laufe des Tages ändern wird, weiß ich nicht. Selten habe ich ein Stück Innenstadt innerhalb von 5-10 Jahren so schnell zerfallen sehen, wie diese Fußgängerzone in Altona.
Als ich an die unterirdische Fußgängerpassage zum Bahnhof Altona komme, sehe ich oberirdisch meinen Bus wegfahren. Ich steige zum Busbahnhof hoch und staune Bauklötze. Öffentlicher Nahverkehr scheint in Hamburg am Samstag morgen erst um neun zu beginnen. Mein „20er“, durch die Klassifizierung als „MetroBus“ eigentlich als „wichtiger“ Bus geadelt, fährt bis um Neun alle zwanzig Minuten. Im Zustand des Schocks stapfte ich wieder runter zur Fußgänger-Passage um in die Tiefen der S-Bahn hinabzusteigen. Donnerwetter, Schwein gehabt, „meine“ S31 würde in acht Minuten abfahren.
Im Bahnhof war es richtig mollig, zirka zwei Grad wärmer als draußen. Meine, trotz Handschuhe, steifgefrorenen Hände versuchten ihre Umklammerung des „The Economist“ zu lösen und das Heft aufzuschlagen, so dass ich mich der Aufmacher-Story widmen konnte: der israelisch-palästinensische Konflikt aus Sicht der „einfachen“ Bürger.
Die S-Bahn wurde eingesetzt und ich stieg mit einem Mann und einer Frau in den ersten Wagen, ganz vorne zum vordersten Ausstieg hin, schon an das Umsteigen in der Sternschanze denkend. Die Heizung blies aus allen Rohren und es war angenehm.
Die S-Bahn fuhr aus dem Tunnel raus und es bot sich ein imposant blauer Himmel an, soweit das Auge über das weite, leergeräumte Bahngelände von Altona blickte, während die S-Bahn auf Stelzen in einem weiten Bogen nach Osten fuhr.
Wenn die S-Bahn in den Bahnhof Sternhanze einfährt, drängt es sich plötzlich in der vordersten Tür, weil jeder im Glaube ist, er könne die U-Bahn noch erreichen, wenn er durch geschickte Startaufstellung sich fünf Sekunden Vorteil erkauft. Ich ging aus dem Kombinationslauf „Aussteigen, Bahnsteig-Gehen, Treppen-Runtersteigen, Treppen-Raufsteigen und Treppen-Runtersteigen“ als Sieger hervor, nicht zuletzt weil ich den jugendlichen Ziegenbart-Träger neben mir auf der ersten Treppe auf den letzten Stufen zwei Meter abgenommen habe und von da an die Ideallinie für mich reklamieren konnte. Im Links-Rechts-Links-Geschlängel ist das der halbe Sieg.
Es waren noch vier Minuten bis zur U-Bahn. Auch dort strahlte die Heizung Wärme aus, als würde es um Leben und Tod gehen. Der Bus an der Hoheluft sollte erst in drei Minuten kommen. Also schmiss ich kurzfristig meine Pläne um, und beschloß statt am Nachmittag sofort meine Einkäufe zu erledigen, und zwar beim auf dem Weg liegenden Safeway.
Ein Kontrollgang durch die Kassezone zeigte dass genügend Kartons zum Mitnehmen vorhanden waren, so dass ich nicht auf Tüten angewiesen war. Meine Cappuccino-Marke hatten sie immer noch nicht in der 500g-Dose, dafür überkam es mir nach der Kälte draußen, zum Frühstück eine Suppe zu nehmen. Kartoffelcreme-Lauch-Suppe um genau zu sein.
Der Safeway an der Hoheluftchaussee versprüht den morbiden Charme der Überalterung. Nichts in dem Supermarkt wirkt gestylt und Design. Seit Jahr und Tag fordert der unebene und schiefe Fußboden sein Blutzoll durch stolpernde Großmütterchen oder von Einkaufswagen überrollte Kleintiere.
Ich wiederstand wacker der Versuchung doch noch die Fanta Blue Berry zu kaufen und rollte mit meinem Zeug auf die ganz rechts gerade aufmachende Kasse. Die Kassierinnen waren alle wie der Supermarkt: undesignt, hemdsärmelig und in die Jahre gekommen. In den nächsten Minuten sollte ich aber erfahren wieviel Ruhe im Alter liegen kann und das eine andere Art von Coolness und Slickness zu finden ist, als von 2m20-NBA-Hünen ausgeht.
Die Kassiererin, kleingewachsen, kastanienbraun-gefärbte Haare im Mireille-Matthieu-Topf-Look, hat noch nicht ganz Platz genommen als sie anfing den ersten Kunden, anscheinend ein Stammbesucher des Etablissements, abzufertigen. Sie kaute noch an ihrem Brötchen herum, als sie ein Produkt nach dem Einscannen in der Hand hielt und es drehte und wendete und dabei anfing leise vor sich her zu summen. Beim Kaffeeweißer fiel es ihr ein und sie fragte den Kunden, ob denn der Weißer noch dazu gehöre oder extra sei. Ist extra? Gut. Sie entschuldigte sich, stand kurz auf um irgendein Schlüssel zu holen und fing an an der Kasse storno zu tippen, was mit einem Fehlton quittiert wurde. Sie fing an zu singen, dass sie ja nicht blöd sei und nahm nun einen zweiten, umständlicheren Versuch Storno in die Kasse einzugeben. Dies mal gelang es. „Ich war wohl noch vom brötchen-kauen abgelenkt“ sagte sie zum Kunden, sprachs und nahme einen großen Schluck aus ihrem Becher Orangen-Limo. Der Becher wurde strategisch günstiger am Rand des Laufbandes gestellt, geschützt von der kleinen abgewinkelten Plexiglasscheibe auf der man das Kleingeld ablegt.
Hinter der Kasse stand schon sein längerem eine Frau, um die 50, blondierte Haare, mit Geld in der Hand, als ob sie Kleingeld wechseln wollen würde.
Junger Mann“, sprach mich die Kassiererin an, „junger Mann, seien Sie doch bitte so lieb und reichen mir vier 'Tic-Tacs' rüber. Nein, die müssen da irgendwo an der Seite sein. Nein, dahinter.“ Äh, die Weißen oder die Orangenen? Die Kassierin dreht sich zur Kundin herum „Die Orangenen oder die Weißen? ... Die Weißen! ... Ja, vier Stück. ... Danke, junger Mann, damit haben Sie eben Ihre gute Tat des Tages vollbracht. Sollte Sie heute jemand ansprechen, so können Sie ihm sagen, Sie hätten Ihre Tat schon vollbracht. Sie können ihn dann zu mir schicken.“, nahm ein Schluck Orangen-Limo, nahm die Tic-Tacs von mir im Empfang und legte sie vor mir aufs Laufband, während sie den ersten Kunden abkassierte.
Nach allen Regeln war das natürlich dreist, von wegen Vordrängeln oder so. Aber die Souveränität mit der es geschah, hatte etwas atemberaubend Freundliches. Es war wie eine Einladung in den Club der Alters-Slicken.
Ich packte meine Sachen in einen leeren Karton, als aus dem Lautsprecher die Stimme der Kassiererin klang: „Frau Hübner, bitte an Kasse 1! Frau Hübner“. Sie hatte die Durchsage gesungen.

Freitag, 20. Februar 2004

[13h13] Online -- Schau an, lt. Mercury News geht es mit der Napster-Wiederauflage von Roxio bergab. Leitende Angestellte gehen, nicht-leitende Angestellte werden gegangen, HP kündigt die Kooperation, binnen zwei Monaten 15 Mio US$ verbrannt und einen Marktanteil von nur 15-20% verglichen mit den 56% von Apples iTunes Musicstore.

Donnerstag, 19. Februar 2004

[15h02] Dummdidummdidummm. 15UhrNulleins? <Trommel mit den Fingern auf den Tisch>. Zu Velvet Undergrounds „Waiting on my man“ summe ich leise die Zeile „Begrabt sein Herz an der Biegung des Abflusses“ vor mich hin.
[14h58] Wenn Eggheads vom Sport reden: in einem Interview mit B5-Aktuell, meine der Chef des MoMas in New York, dass er den Ferrari-Rennwagen von Alan „Proust“ ganz doll ästhetisch fand. Ich persönlich ziehe ja eher die literarischen Werke seines Schwippschwagers Marcel Lauda vor.
[14h56] So gewonnen wie zeronnen. Gestern noch Schmierzettel-Multimillionär, heute bietet sich nicht ein einziger Wisch fürs Draufschreiben an.
[10h56] In der Nacht von Sonntag auf Montag fand das NBA-All-Star-Game statt. Und was mich so begeistert hat, das ich es mir gestern noch ein zweites Mal anschauen musste, war die Spielerpräsentation. Die Beste und Geschmacksicherste die ich je gesehen habe. Nach dem NFL-Dreck (Stichwort: MTV-Halbzeitshow, nein, nicht nur die Jackson-Titte) war es geradezu wohltuend.
Im Staples-Center von L.A, auf dem Feld eine kleine „Theater“-Bühne aufgebaut. Outkast treten auf, spielen live. Big Boi an der Seite mit einem(?) Turntable, Andre3000 singt, umringt von 5-6 Tänzerinnen. „Hey Ya“. Es klingt live am Anfang etwas zum Zehennägel aufklappen, aber dann groovt man sich ein.
Dann hört Andre3000 auf zu singen, der „Hey Ya“-Beat läuft weiter, eine sonore Stimme aus dem Off stellt die Trainer vor und dann werden die Spieler der Ostküste präsentiert. Einer nach dem anderen kommt hinter dem Vorhang der Theaterkulisse hervor und geht, rennt, läuft, schlürft einen kleinen Steg herunter, lässt sich von hunderten von Kids abklatschen. Der „Hey Ya“-Beat ist weiterhin untergelegt. Viele Spieler können vor Coolness und Slickness kaum laufen, gehen als ob sie Brandblasen an den Sohlen hätten.
Mit einem Mal steht der kleine, zerbrechliche Allen Iverson da, mit seiner typischen Unterarmmanschette. Steht regungslos da. Es dauert 3 Sekunden nach der Vorstellung, ehe er fast arrogant den rechten Arm hebt und dann auf den Steg geht. Der Mann der dieser Woche zu einer Bestrafung durch seinen neuen Coach meinte: „und dann hatte ich ein Treffen mit dem Typen, den ich kaum kannte und der mir eine Strafe aufbrummte
Dann kommen Outkast wieder zurück. Diesmal mit Big Boi und Andre3000 auf der Bühne und 5-6 B-Boys als „Cheerleader“. Nun wird „The way you move“ von Big Bois „Speakerboxxx“ gesungen, das ebenfalls seine Zeit braucht um dann allerfürchterlichst in die Beine zu gehen.
Wieder bleibt der Beat stehen, diesmal werden die Trainer und Spieler aus der Westküste vorgestellt. Dirk Nowitzki als erster, steht verunsichert da, grüßt zaghaft jemanden halbrechts, eher auf den Steg geht.
Aber keiner, keiner kam an „Mr. Smooth“ Shaq O'Neal heran. Er steht mit einem Mal da, 2m20 oder so, um die 120kg, lässt den Jubel etwas verebben, ehe er lässig das Victory-Zeichen zeigt, während „The way you move“ im Hintergrund groovt. Und dann geht er mit einer fabulösen, dahingerotzten Lässigkeit runter, so etwas ist groß. Groß. Soviel Aura kriegen 98% aller Schauspieler während ihrer ganzen Karriere nicht gebacken.
Die ganze Vorstellung zog sich zwanzig Minuten hin, aber mit der nahtlosen Einbindung von OutKast und der Spieler-Vorstellung, war das eine höchst geschmeidige Geschichte.

Dienstag, 17. Februar 2004

[19h22] Politics -- Im Blog des Hamburger SPD-Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftwahl Thomas Mirow macht man sich heute über Ole von Beust lustig. Der amtierende Bürgermeister weigerte sich während eines Radiointerviews der hiesigen Schlagerwelle sich an einem Lügendetektor anschliessen zu lassen: "Ole kneift vor dem Lügendetektor"
Aus den Kübeln Häme die die Schreibercrew um „TeamMirow“ diesbezüglich auskippt, entnehme ich im Umkehrschluß, dass Thomas Mirow anscheinend für die Verwendung von Lügendetektoren in Strafverfahren eintritt, oder? Nicht dass es mich von einer Partei die in Hamburg den Brechmitteleinsatz gegen mutmassliche Dealer eingeführt hat, wundern würde, aber weiß auch die Rest-SPD Bescheid?
[10h24] Hey Zeitstehler!
Wenn du mich anrufst und fragst, dass du neuerdings von UUNet auf Hansenet umgestellt hast und seitdem keine eMails über deinen UUNet-Account mehr senden kannst und ich dir sage dass UUNet zumindest zu meiner Zeit das Versenden von eMails nur bei Einwahl via UUnet zuliess und deshalb bei Einwahl via Hansenet eine Fehlermeldung auftaucht und du mich fragst ob die Fehlermeldung die bei dir auftaucht, möglicherweise mit dem Wechsel von UUnet auf Hansenet zusammanhängt, dann wundere dich nicht, wenn ich dir daraufhin antworte, dass die Fehlermeldung mit deinem Wechsel von UUNet auf Hansenet zusammenhängen könnte, da UUnet das Versenden von eMail, zumindest zu meiner Zeit, nur bei expliziter Einwahl via UUnet erlaubt hat und bei Einwahl via Hansenet möglicherweise eine Fehlermeldung produzieren könnte, zumal ja die Fehlermeldung beim Versenden bei dir ja offensichtlich erst seit dem Wechseln von UUNet auf Hansenet stattgefunden hat, was erklären könnte wieso du seit dem Wechsel von UUNet auf Hansenet beim Versenden von eMails über deinen UUnet-Account eine Fehlermeldung bekommst, schließlich erlaubt es UUnet ja nicht eMails bei Einwahl mit anderen Providern, und Hansenet wäre ein derartiger anderer Provider, über UUnet-eMail-Accounts zu versenden. In solchen Fälle gibt es dann eine Fehlermeldung, ein sicheres Zeichen dafür das du dich nicht mit UUnet eingewählt hast um deine UUnet-eMails abzusenden.
Ach, du hast auch eine Kündigung laufen? Ja, kann natürlich auch sein, dass die Kündigung von UUnet vollzogen wurde.
Weitere Supportanfragen aus dem Kunden- und Kollegenkreis die bei mir bis 10h16 aufgeschlagen sind: Hilfe beim Erstellen eines Angebotes für die Produktion einer Website und Hilfe für das Aufspielen von Daten auf einen Webserver (Stichwort: "passiver Transfer-Modus"). Und ich beantrage eine Rufnummernumstellung: 0190 5 460 930 03. 98EUR pro Minute.
Nachtrag: Und ich glaube ich sage meinen Büro-Kollegen gerade zum zweitausendsiebenhundertachtunzwanzigsten Mal, dass nicht in alles was eine TAE-Buchse hat, ein analoges Telefon reingesteckt werden kann.