dogfood Juli 2004 [2]

Mittwoch, 21. Juli 2004

[09h54] Gestern abend fuhr ich noch mit dem Bus von meiner Wohnung zur Freundin. Weil es heute wieder warm werden soll (na ja), bin ich trotz des kühlen und feuchten (Understatement!) Wetters gestern abend in Hemd und Shorts aufgelaufen.
Ich pendelte zwischen Bushaltestelle und Kreuzung um um die Hausecke zu lugen, ob der Bus kommt. Tat er erst mal nicht, hatte fünf Minuten Verspätung. Nicht minder umtriebig auf und ab gehend, war ein älterer Herr mit Schirm und Plastiktüte. Proper und korrekt angezogen, ohne dass der Zwirn einem die Marke ins Gesicht geschriehen hätte.
Als ich die Knopfaugen sah, den schmalen, aber freundlichen Mund und die Lippen die ab und zu still ein paar Sätze auszusprechen schienen, glaubte ich ihn zu erkennen. Mein ehemaliger Philosophie-Lehrer aus der Oberstufe.
Ich habe noch im Laufe des Abends länger an ihn denken müssen.
Er war ein kauziger Typ. Freundlich, humorvoll. tolerant. Sein Aussehen und Charme erinnert mich an den Kautions-Anwalt von „Jackie Brown“. „Leben und leben lassen“ war seine Attitüde. Er spaltete die Schülerschaft wie kaum ein anderer Lehrer. Die einen fanden ihn toll, die anderen fanden ihn bekloppt oder inkompetent. Aber es gab keinen der ihn gehasst hat. Schlimmstenfalls wurde er als „Trottel“ hingenommen. Er wusste mit wen er Unterricht machen konnte und mit wem nicht.
Das einzige was er sich herausnahm, war am Ende jedes Semester die Notenvergabe. Jeder wurde aufgerufen und musste sich selber einschätzen und seine Punktezahl tippen, ehe er dran war. Er hatte sichtlich Freude daran gehabt, dieser Moment der Folter schien seine (einzige) Rache zu sein. Man hatte den Eindruck, wer in dem Moment zuviel Hybris an den Tag legte oder aber das Rückgrat eines Kriechtieres zeigte, bekam drei Punkte Abzug. Aber das er irgendjemanden über die Klinge hat springen lassen, gab es nie.
Er war immer ein bißchen anrüchig, denn in der Oberstufen-Schülerschaft gab es immer wieder Gerüchte, dass er was mit dieser oder jenen Schülerin gehabt hätte.
Was mich gestern so lange über ihn nachdenken ließ: er war mein erster Lehrer der mir bei schriftlichen Klausuren oder Aufsätzen Erfolgserlebnisse vermittelte. Er war während meiner gesamten gymnasialen Schullaufbahn der einzige Lehrer außerhalb des Faches „Kunst“, der mir das Gefühl gab, wertvolle eigene Gedanken entwickelt zu haben.

Dienstag, 20. Juli 2004

[16h09] Heute ist die Presse-eMail losgeschickt worden. In diesem Sinne: Herzlich willkommen. Ich versichere, dass ich mit gekämmten Haupthaar und sauberen Fingernägeln vor der Tastatur sitze.
Ich überfliege meine Bio, die ich gerade in den Klappentext einbaue. Whatever.
[09h16] WebDev -- Ich muss mich mal heute etwas länger hinsetzen und paar eMails beantworten, u.a. zum gestrigen Eintrag bzgl. der beiden CSS-Klassen in einem Klassen-Attribut.
Ich habe ein Beispiel vorbereitet, dass ich aber auf einer Extra-Seite ablegen musste, da anscheinend der IE5/Mac mit einer der Konstellationen abstürzt. Mehr gibt es hier: „Kombinierte CSS-Klassen und CSS-Selektoren
[09h05] Es gab einen Song -- war es Thomas Dolby? -- „Hyperactive“. So fühle ich mich. Nachdem ich gestern wider Erwarten drei Stunden später als gedacht zu Hause einkehrte, bin ich binnen 15 Minuten stehend KO ins Bett gekippt.
Umso erquickter bin ich heute morgen aufgestanden. Rasiert, Abgewaschen, Altpapier weggetan, Shorts, yeah, endlich Shorts angezogen. Büro durchgefegt, Schuhe ausgezogen. What's next?
Das Schändlichste was ich gestern tun konnte: es bei Burger King nicht bei Pommes zu belassen, sondern auch noch -- Herr, gib mir mein täglich Brocken Fleisch -- einen „99er“ zu kaufen, die Billigburger. Vor Äonen habe ich bereits einen 99er-Hamburger gegessen, der gar nicht ging. Eine fiese, scharfe Soße die die Abwesenheit von Geschmack überdecken sollte. Geht es fieser?
Ja. Chicken Nuggets Burger. Ein Chicken Nuggets dass seit Stunden zwischen zwei Brötchenhälften vor sich hin einweicht und kurz vor der Verflüssigung steht. Auch hier soll die Soße von Geschmack und Konsistenz ablenken. Das Letzte was das menschliche Auge erblickt, ist eine weiße, zähe Flüssigkeit die aus dem Brötchen quillt. Flüssiger Hühner-Schredder? Eiter? Oder doch Mayo-artige Soße?

Montag, 19. Juli 2004

[19h52] Oy! Dienstleistungsparadies Deutschland! Als Konsument weiß man gar nicht wohin mit seinen Millionen! Vielleicht mal nach 20h in der zweitgrößte deutschen Metropole eine Postsendung aufgeben?
Vor zwei Jahren konnte ich noch bis Viertel vor Neun am Hauptbahnhof EXPRESS-Sendungen aufgeben (garantierter Next-Day-Versand für lau).
Heute? Ein Blick auf den Filiale-Sucher der Post. Kaltenkirchner Platz, Zentralpostamt? Macht um 18Uhr dicht. Hauptbahnhof? Macht um 18Uhr zu. Innenstadt? Macht um 19Uhr zu.
Meine Verblüffung ist grenzenlos. Also zum Kundentelefon gegriffen und angefragt: wo gibt es in Hamburg die Möglichkeit eine Filiale spät zwecks EXPRESS-Sendungs-Aufgabe aufzusuchen?
Antwort: Flughafen und Berner Heerstraße (sic! = Arsch der Welt). Die hätten doch immerhin bis um 20Uhr offen.
Ich will diese Antwort gerne in all ihre Aussagekraft zusammenfassen: es gibt in ganz Hamburg 2 (in Worten: zwei) Postfilialen die werktags bis 20Uhr geöffnet haben. Es gibt in ganz Hamburg 0 (in Worten: null) Filialen die nach 20Uhr noch geöffnet haben.
Das ist völlig irre. Ich war vor zwei Jahren um halb Neun in der Filiale im Hauptbahnhof und habe mir zwanzig Minuten die Beine in den Bauch gestanden, weil es so voll war. Der Laden brummte, es herrschte Hochbetrieb. „Bedarf“ war also da und ich wüsste nicht warum das anders geworden sein sollte.
[18h57] Job -- Aus dem unteren Eintrag darf geschlossen werden, das BLOGS!-Buch ist an einer weiteren wichtigen Etappe angekommen. Die Dateien wandern nun zum Verlag, wo man sich ein letztes Mal einen Wolf prooft und lektoriert, Mehr morgen an anderer Stelle. Hier und jetzt, drehe ich nur die Däumchen und lese das Internetz, darauf wartend, dass der Upload fertich wird.
[18h48] Das haben sich die Softwareschergen wieder genial ausgedacht: Ich lade ein 260MB großes File hoch. Eine Dreiviertel Stunde lang, zeigt das FTP-Programm „about one hour remaining“. Glaubt man in den ersten Minuten noch, es würde sich dabei um 60 oder 70 Minuten handeln, zeigt eine überschlägige Rechnung im Kopf, dass die Schätzung „about one hour“ arg geschätzt ist.
Nach einer Dreiviertelstunde werden dann die Minuten runtergezählt... Warum man nicht vorher „80 minutes“ oder sowas anzeigen konnte...
[18h36] WebDev_CSS -- Anregende CSS-Tipps von Eric Meyer: „Competent Classing“.
Am interessantesten ist die Meyersche Verwendung von zwei Identifier als class-Werte: class="summe negativ". Ich hatte es mal vor ein oder zwei Jahren für dogfood ausprobiert (für die „gefloateten“ Bilder) und musste es wegen irgendeiner Browser-Unverträglichkeit aufgeben. Erst kürzlich hat irgendjemand irgendwo geschrieben, dass irgendein Browser seine Schwierigkeiten hätte.
Nicht mehr? Offiziell satisfaktionsfähig?
[17h25] Okay, ist dann auch etwas größer. Verdammt groß!
[16h25] Die „Queen Mary 2“ geht mir auf den Sack. Seit Stunden fliegen Hubschrauber, Flugzeuge und Himmelsschreiber in Hörweite von der Schanze über den Landungsbrücken. Ein permanentes Brummen ist in der Luft.
[14h37] Bei Lidl an der Kasse. Kurz vor zwei. Unglaublich aber wahr: eine nahezu leere Kasse. Ich lege meine vier Sachen aufs Band. Vor mir ein Mittfuffziger (Alter und Körpergröße) der so aussieht, als hätte er Magnums Kleiderschrank geplündert.
Die Kassiererin zieht die zehn, elf Sachen flott übern Scanner, „Elf Euro achtzehn“.
In den folgenden Minuten spielte sich ein denkwürdiges Drama ab, was Sergio Leone nicht hätte besser verfilmen können. Hastig wird das Portemonnaie gezückt. Mit zittriger Hand das Kleingeld für die verbleibenden 1,18EUR zusammengesucht. Dort ein Zehner, hier ein Fuffziger, dort ein Fünfer und... nee, Moment mal, drei Zwanziger, ein Fünfer, ein... nee, drei Fuffziger, e.. das geht gar nicht, ein Einer, sieben...
Die Hände werden zittriger. Er wird nervös. Er weiß, dass hinter jemand steht, der nur vier Sachen auf dem Band hat, und möglicherweise das Geld sogar schon abgezählt in der Hand hat... Schweiß perlt von seiner Stirn ... hier sind vier Zwanziger, dann brauche ich noch...
Ich schaue ihn an. Ich durchbohre ihn mit meinen Blicken. Ich lasse ihn mein Anwesenheit fühlen. Ich weiß, dass es für ihn derzeit nichts unerträglicheres gibt, als jemand in der Kassenschlange, als Öffentlichkeit überhaupt.
Stunden später gibt er auf. Er zieht einen Zehn-Euro-Schein und eine zwei-Euro-Münze. Der Versuch es passend zu geben wird aufgegeben.
Kassiererin: „Haben sie zufällig noch acht Cent?“ Der Mittfuffziger schaut entgeistert auf.
[14h00] MacOS X -- Den Mac durch Frühjahrsputz schneller machen „degunking your mac“ „12 Steps to Improving Your Mac's Performance“ dürfte der seit Äonen schlechteste Artikel von O'Reilly gewesen sein. Umso fataler wenn er sich an Anfänger richtet.
1/ Defragmentieren -- es gibt nicht wenige, durchaus kredible Leute, die sagen das Defragmentieren unter OS X nicht nötig wäre. Zudem werden im laufenden Betrieb soviele Dateien (neu) beschrieben, dass jeder Geschwindigkeitseffekt schnell gegen Null gehen dürfte.
3/ Ordner anlegen -- banaler Tipp. Sinniger wäre es gewesen, darauf hinzuweisen, dass man nicht gegen das System arbeiten sollte, und mit den vorinstallierten Verzeichnissen z.B. für Musik und Bilder arbeiten sollte.
5/ Spam kontrollieren. Drei Absätze zum Thema, gerade ein ganzer Satz zum Thema Spam-Filtering...
6/ Überflüssige Fonts wegschmeißen -- Mein Tipp: PFOTEN WEG!. OS X reagiert extrem allergisch auf Schriftenprobleme, bis hin zu Kernel Panic. Dies ist kein Ort für Laien an denen sie auf eigener Faust diese und jene Schrift, diesen und jenen Schnitt wegschmeißen sollten. Mitunter sind dem Anfänger die Beziehungen zwischen Applikationen und Fonts nicht geläufig, z.B. die Adobe-Fonts die von Acrobat installiert werden.
7/ Software automatisch aktualisieren -- Glückwunsch, das ist DASS Rezept für Desaster. Zum einen sollte man bei Updates immer nach dem Prinzip „Hannemann, geh' du voran“, immer erst die geneigte Mac-Gemeinde Updates installieren lassen und erst wenn nach einigen Tagen keine gravierende Probleme aufgetaucht sind, das Update selber aufspielen.
Zwotens empfiehlt sich die vorsichtige Herangehensweise: Vor dem Update immer mit dem Festplattendienstprogramm die Zugriffsrechte und die Festplatte reparieren lassen. Bei OS X-Updates die Aktualisierung nicht über das Kontrollfeld installieren lassen, sondern 1-2 Tage warten und auf der Apple-Website den „Combines Installer“ runterladen. Jener enthält meistens alle Aktualisierungen von z.B. OS X 10.3, also inkl. 10.3.1, 10.3.2 etc... Sollte eines der vergangenen Updates nicht korrekt installiert worden sein, oder aber sonstwie zwischenzeitlich zerschossen worden sein, bügelt der combined Installer die „alten“ Aktualisierungen wieder drüber.
Unterm Strich ein indiskutabler Artikel, der für das bei einem O'Reilly-Imprint erscheinendes Buch nichts gutes befürchten lässt.
[08h53] Die Geschichte von gestern ging natürlich weiter.
Ich ging zur U-Bahnstation um nach Hause zu fahren... und festzustellen dass ich meine Monatskarte in meiner Jacke bei meiner Freundin habe liegen lassen. Ich hätte natürlich meine Freundin anrufen können, sie soll vorbeifahren und mich abholen. Allein: das Handy war in der anderen Jackentasche, also auch bei meiner Freundin. Schwarzfahren? So wie der Tag bis dato verlief, hätte ich mir denken können, was dann passiert wäre. Also waren 45Minuten Fußmarsch angesagt.
Zu Hause angekommen stellte ich fest, dass ich zwar Batterien hatte, aber nur Größe AAA, während die Tastatur AA benötigt.
Herr Ober, einmal brechen, bitte!

Sonntag, 18. Juli 2004

[11h06] Und mit Verlaub: die PC-Tastatur (irgendein Logitech-Multimedia-Keyboard mit Zillionen von Tasten wie „Suchen“, „Einkaufen“ oder „Startseite“, die keine Sau braucht) fühlt sich richtig schäbig an. Mir sind in zehn Jahren Macs noch nie so billig sich anfühlende Tastauren vorgekommen wie in der PC-Welt, sei es bei meinem alten Rechner oder jetzt diesem Logitech-Teil.
[10h46] Ich habe das Gefühl, das mein Alltag derzeit zäh, ganz zäh ist. Ich habe Scheiße an den Händen. Ich kann mich nicht erinnern, binnen sechs Monaten schon mal eine derartige Folge „Pech“ zu haben. Die geniale Gabe zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein, oder mit instinktsicherem Griff „Montagsgeräte“ auszusuchen.
Gerade machen die Batterien meiner drahtlose Tastatur fürs PowerBook schlapp (welche ich brauche, weil das PowerBook vermutlich aufgrund eines Wackelkontaktes im Motherboard an bestimmten Stellen seiner Tastatur „berührungsempfindlich“ geworden ist und mit sofortigem „Freeze“ reagiert). Es gibt zwei Orte wo ich Ersatzbatterien hätte horten können: bei mir zuhause oder im Büro. Ich bin natürlich gerade im Büro und die Batterien sind zuhause... Zum Glück arbeitet mein Bürokollege nicht sonntags und ich habe mir seine PC-USB-Tastatur greifen und anschließen können. Bis auf vertauschte Tasten klappt es ohne Probleme.
Oder der Anruf von einer Bekannten, die gerade bei 40Grad in Dubai sitzt und mich fragt ob ich Testberichte zu Digicams bis morgen besorgen könne, weil die es in Dubai günstig gäbe. Schnell nachgeguckt: die c't hat einige Testberichte. Die CD mit der ersten Hälfte des Jahrganges 2004 liegt vor mir auf dem Tisch. Die Testberichte sind natürlich allesamt 2003 erschienen und damit bei mir zuhause. An einem Tag, wo ich gar nicht nach Haus egehen wollte, scheint mich das Schicksal förmlich dorthin zu prügeln.
Ich könnte jetzt noch Geschichten von verlorenen Geldscheinen, von vorzeitig erfolgten Abbuchungen die mein Konto blockieren, kaputten Fernsehern und ähnliches erzählen...
Ich fühle mich richtig durchgeprügelt.