Sehr geil. Bei mir schimmeln die Blogeinträge im Draft-Status vor sich hin — weil ich sie zwar anfange, aber nie die… Muße? Zeit? Energie? … habe, sie fertig zu schreiben. Und so wird aus dem Mitte-September-Draft ein Mitte Oktober und nun ein Ende-Oktober-Draft…


Moinsen. Länger nicht gelesen. Was war die letzten drei vier Monate?

In einem Newsletter fühlt sich Oliver Burkeman an den Schluss einer Episode aus der Serie „Studio 60 on the Sunset Stript erinnert.

The anxiety builds as a huge digital clock on the control room wall counts down the days, hours, minutes and seconds to the moment they’re due on air. The world – well, the media world – is watching. The stakes are high. Last-minute crises and conflicts threaten to derail the whole thing.

But they manage it: the show goes live, the opening number ends, the studio audience goes wild, and the camera cuts to Perry, watching from the back. For the first time, his expression isn’t tense, but relaxed. He’s satisfied, proud, absorbed in the spectacle. Against the odds, things are OK.

…For about one second. Then a troubling thought strikes him, the tension returns to his face, and the camera follows his gaze to the countdown clock on the wall. It now shows six days, 23 hours, 57 minutes and 53 seconds: the time they’ve got left in which to do it all over again next week.

Dies ist eine perfekte Zustandsbeschreibung meiner letzten Monate. Ich musste zwar nicht wöchentlich eine Show abliefern, aber anderthalb Jahre im eng getakteten Projekt B im Drei-Wochen-Rhythmus, dem sogenannten „Sprint“, ein Aufgabenpaket umgesetzt haben, kommunizieren, konzipieren, evaluieren, spezifizieren, Frontendler|innen anleiten, Umsetzung anderer Menschen kontrollieren und abnehmen.

Nach dem Launch im Frühjahr, hat sich der Aggregatzustand des Projektes verändert. Aus dem Pflichtumfang zum Relaunch, ist nun ein Wunschzettel für Erweiterungen geworden und weitere „Stakeholder“ begehren den Eintritt ins Boot.

Umsetzungen sind nicht sofort startklar. Sie müssen erst umsetzungsreif aufbereitet werden. Es gibt, u.a. für mich, größere Aufwände im Bereich von Kommunikation und Konzeption/Spezifikation, während der Anteil der eigentlichen Umsetzung (a.k.a.: Coding) zurückgegangen ist (wenn ich es richtig im Kopf habe: ganze neun Stunden in den letzten dreieinhalb Monaten). Die Zahl der Bälle, die gleichzeitig in der Luft gehalten werden müssen, hat zugenommen.

Der Akku war alle. Die Wochenenden dienten nur noch dazu, den Akku durch Ruhe & Freizeit halbwegs aufgeladen zu bekommen. Aber auch das ging nicht mehr. Irgendwann waren nur noch 90% und dann 80% Maximalladung drin. Es waren keine 40 Wochenstunden mehr drin. Vermutlich noch nicht einmal mehr 30 Wochenstunden. Abgesehen von Feiertagen und den Rekonvaleszenz-Wochen nach den vier OPs, stand Ende September mein erster Urlaub seit zwei Jahren an.


Acht Tage Baltrum standen an. Mir war nach Nordsee, Watt und Wind in die Visage. Mal wieder St. Peter-Ording zu nehmen, erschien mir zu faul zu sein. Meine Wahl fiel auf Baltrum, weil Insellage und weil kleinste der ostfriesischen Inseln. Was macht es mit mir, wenn ich 8 Tage auf derart kleinem Raum bin?

Die Insel ist ca. 5km lang und 1km breit, wobei der bewohnte Teil der Insel sich auf ca. 2km x 0,5km konzentriert. Der Rest ist Dünenlandschaft, Watt und Salzwiese.

Erstmals nahm ich eine Ferienwohnung — auf Baltrum eine sehr sinnvolle Entscheidung. Für eine Urlaubsinseln gibt es recht wenige Hotels, aber umso mehr Ferienwohnungen. Die Bürgersteige werden abends recht früh hoch geklappt. Ohne Reservierung nach 19h30 noch einen freien Platz in einem Restaurant zu finden, ist nicht einfach. Da ist die eigene Küche schon sehr praktisch — vor allem wenn die Pizzen des Abhol-Italieners spektakulär teuer und dürftig belegt sind.

Die Insel hat zwei Supermärkte, die zwar so tun, als wären es zwei unabhängige Supermärkte, die aber beide faktisch von Edeka beliefert werden. Die Preise in den Supermärkten sind 10–20% höher als auf dem Festland.

Und die letzte Nerverei: leider gibt es zum verweilen keine brauchbaren Cafés (‘scusi: habe das „Picknick Baltrum“ nicht ausprobiert…). Entweder sind sie zu klein, so dass ein längerer Verbleib nicht gern gesehen wird oder sie haben Platz, aber Cappuccino und Eis/Kuchen sind eine Katastrophe.

Bei allem Driss: es hat Spaß gemacht. Die Ferienwohnung war ein Traum. Super geschnitten, gut ausgestattet, Balkon mit Tischchen und im 2ten Stock einen fantastischen Blick in drei Himmelsrichtungen gehabt.

Überhaupt „Himmel“. Ich kam Ende September, mitten in einer stürmischen Phase (Böen bis Stärke 8). Nur geil. Nahezu alle Sensorik in deinem Körper wird bespielt. Der Tastsinn mit dem Wind, der an dich zehrt. Die tosende, omnipräsente Brandung in deinen Ohren. Der Geruch von Salzwasser. Permanent spektakulärste Wolkengebilde.

Auf Baltrum gibt es keine Kraftfahrzeuge, sondern nur Fahrräder, E-Bikes und Pferdekarren.

Pferdekarren als Müllabfuhr
Auch im Urlaub… vom Lärm der Müllabfuhr aufgeweckt werden.
Pferdekarren mit Container muss hinter der „Müllabfuhr“ warten
Wer kennt das Problem nicht auch aus der Stadt: hinter der Müllabfuhr staut sich der Verkehr.

In den ersten fünf, sechs Tagen war ich mit Erkundung der Insel, inklusive Führungen des Wattenmeer-Nationalpark-Hauses, vollbeschäftigt, und wurde erst in den Schlusstagen zum Flaneur, zum Sich-Treiben-Lassen.

Briefkasten mit der Aufschrift: „Leerung findet Montag – Sonntag einmal täglich statt“
Es geht auf Baltrum dank der Tide und dem nur einmal täglich stattfindenden Frachtverkehr gemächlicher zu. Wird halt irgendwann „einmal täglich“ geleert.

Es steht nicht auf meiner Stirn geschrieben. Ich laufe zuhause nicht im Matrosenhemd rum. Aber nach Sylt und St. Peter-Ording, muss ich nun auch bei Baltrum feststellen: die Nordsee macht irgendwas mit mir. Irgendwas triggert mich emotional derart an, wie bei mir sonst nur Paris.


Der Urlaub ist auch schon einen Monat her. Der Akkustand wird von mir, nicht immer mit Erfolg, schärfer kontrolliert.

Die fünfte und nun wirklich letzte OP ist in Sichtweite. Es wird mich vermutlich wieder vier bis fünf Tage komplett aus dem Alltag rausnehmen. Aber inzwischen kenne ich ja die Abläufe.

Things I did.

Garten — Der Sommer wurde immer wieder durch wochenlange Trockenheit geprägt. Was in meinem Fall bedeutete, alle ein oder zwei Tage mit dem Wasserschlauch von Pflanzenpott zu Pflanzenpott zu gehen um die Tomaten, Melonen, Paprikas, Zucchinis, Physalis und Erdbeeren zu wässern. Das hat jedesmal locker eine Dreiviertelstunde weggebrannt.

Auf der anderen Seite wurde ich selten so häufig von Passanten angesprochen, wie in diesem Sommer.

Die Tomatenernte, immer noch nicht beendet, war extrem ergiebig. Und ehrlich: wenn du deine eigenen Tomaten angebaut hast, fällt es schwer wieder zu Supermarkt-Tomaten zurückzukehren. Einmal die Geschmacksexplosion z.B. einer „Black Cherry“ im Mund gehabt, willste nicht wieder zurück.

Ein ähnliches Erlebnis gab es mit den Wassermelonen, die ebenfalls süßer und intensiver als die Supermarkt-Verwandtschaft ausfallen.

Garten, mit drei sich rankende Wassermelonen
Drei von fünf Wassermelonen im Garten
Fünf reife Wassermelonen
Einige Wochen später, die Ernte
Physalis
Reife Physalis